15.08.2011 — Rivers Eleven — vier Flüsse, fünf Länder (und keine Passkontrolle)
Auf vier Flüssen (Mur, Drau, Donau und Theiss) durch fünf Länder (Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn und Serbien) führte uns eine Wanderfahrt im August 2011. Der nachfolgende Bericht zu den Geschehnissen …
Nachdem der Ruderverein Pöchlarn nur alle zwei Jahre eine Vereinswanderfahrt veranstaltet, konnte ich – ohne großes Aufsehen – mit den Piraten auf Ruderwanderfahrt gehen. Startpunkt war der Kurpark in Bad Radkersburg (Österreich), wo unser Fahrtenleiter noch die Untiefen der Kurtherme testete. Der Thermenwart als auch die Gäste nahmen es mit Gelassenheit. Nach diesem kleinen Zwischenfall wurde in die Mur eingesetzt und in einem Tag ein ganzes Land (Slowenien) durchrudert. Mit einer folgenschweren Fehlentscheidung endete der Rudertag (war wohl nicht das erste Mal …), zumal einige der Teilnehmer offiziell … es war das letzte Mal … nach Kroatien einreisen wollten.
Von unserem Vorhaben war der Grenzbeamte (an der Straßengrenze) jedenfalls nicht begeistert, zumal die Mur ständig zwischen Kroatien und Slowenien mäandert, und somit jedes Mal ein Grenzübertritt gesetzt wird, der nicht kontrolliert werden könnte. Nach einer Stunde ergebnisloser Verhandlung wurde aus Sicherheitsgründen durch die hohe kroatische Staatsgewalt die Weiterfahrt dieses nicht zu verantwortenden Handels untersagt. Wir mögen doch nach Süden zur Drau fahren, und dort weiterfahren. Somit übersetzten wir eben mit dem Pirat-Bus die letzten Kilometer zum Tagesziel. In Novakovec wurde beim örtlichen Fußballverein für 19 Leute um 50 Euro ein gutes Quartier, nach Zustimmung durch den örtlichen Cheftrainer samt Vizepräsidenten, gefunden. Der Platzwart hatte jedenfalls seine Freude, und auch der Dorferneuerungsverein bedankte sich für unser Erscheinen beim abendlichen Sommerfest.
Nächster Tag, auf ging’s ob dieser Gastfreundschaft schweren Herzens nach Donja Dubrava, wo nach dem letzten Stausee auf der Drau eingesetzt wurde. Durch unberührte Flusslandlandschaften in Kroatien führte uns die Drau alsbald zur Einmündung der Mur. Ab diesem Zeitpunkt kreuzten wir wieder zwischen Ländern, nunmehr Kroatien und Ungarn, unabsichtlich natürlich, es fand sich niemand, der sich deretwegen beschwert fühlte. Am Tagesziel in Ferdinandovac war kein Quartier zu finden, unsere zwei Landdienst führenden Damen konnten allerdings gleich im einen Steinwurf entfernt liegenden Nachbarort Durdevac ein tolles Hotel ausmachen. Jedenfalls, die Fahrt dorthin ging sich ohne Zwischentanken aus … .
Mit der nächsten Tagesetappe stand mit 72 Kilometern eine relativ lange Tour am Plan. In der ungarischen Grenzstadt Barcs wurde eingereist. Nachdem die Express-Pizza nach zwei Stunden im Freizeitpark angeliefert wurde, war für allfällige Einreiseformalitäten keine Zeit mehr. Unbestätigten Gerüchten waren die Grenzbeamten sehr dankbar. Aus welchen Gründen auch immer, die folgenden 40 Kilometer ruderte jedes Boot für sich allein, manche ruderten sogar über das Tagesziel hinaus in die Dunkelheit hinein, zumal es bei Ankunft (teilweise) schon weit nach Sonnenuntergang war. Das in einem kleinen Bauernhof gelegene Quartier (mitten in der ungarischen Pampa) in Sellye sucht wohl seinesgleichen, wie sich die deutsche Gastgeberin dorthin verirren konnte, blieb unergründet. Die rd. 150 Kilometer an der EU-Außengrenze zwischen Ungarn und Kroatien waren mangels Grenzkontrollen jedenfalls kein Problem.
Mit geschickten Geldwechseln wurden wir frühmorgens alle unsere ungarischen Forint los. Zeit hatten wir genug, wurde doch in mehreren Telefonaten mit der Organisation CROMAC (Croatian Mine Action Center) zuerst einmal die doch nicht unbeachtliche Minen-Warn-Situation abgeklärt. Mit dem guten Wissen, zwischen welchen Stromkilometern (und auf welcher Seite) jedenfalls Landgänge zu unterlassen seien, wurde das Tagesziel in Belisce (Kroatien) angesteuert. Beim dortigen Paddelklub wurden wir gastfreundlich aufgenommen. Strom und Wasser fielen zwar zwischenzeitlich (in der ganzen Stadt) aus, dies tat aber dem gemütlichen Abend keinen Abbruch.
Mit einer relativ kurzen Etappe über 38 Kilometer ging es tags darauf durch wenig kurzweilige Aulandschaften nach Osijek. Die Stadt wurde zwar in den vergangenen Jahren vielerorts renoviert, die Wirren des Krieges zwischen Kroaten und Serben waren allerdings noch allgegenwärtig. Im Ruderverein von Osijek konnten wir Quartier beziehen, nur mit Mühe konnten wir den kroatischen Nationaltrainer am nächsten Morgen davon überzeugen, uns nicht zur Weltmeisterschaft nach Bled mitzunehmen. Unser Weg führte uns vielmehr weiter die letzten rd. zwanzig Kilometer die Drau entlang zur Mündung in die Donau. Wie zu Beginn in Oberdrauburg, ich am Schlag, Daniel am Steuer. Bei Kilometer 1 kann man sich schon einmal auf die vielen gemeinsamen Kilometer zwischen Oberdrauburg (Osttirol) und der Mündung der Drau in die Donau (ab nunmehr Grenzgebiet Kroatien – Serbien) zurückbesinnen. Es mögen uns die wenigen Staugebiete, die wir ausgelassen haben, auf dieser 651 Kilometer langen Strecke nachgesehen werden …
Die (relativ seltene) rot-grüne Boje bei Kilometer 0 war nicht auf einen unentschlossenen Bojensetzer zurückzuführen, sondern auf die Abzweigung eines Schifffahrtsweges. Unser Weg führte uns nun ab rd. Stromkilometer 1388 die Donau stromabwärts. Irgendwo auf dem Weg nach Vukovar fanden wir an einem der wohl heißesten Tage im August noch eine Gastwirtschaft. Aber – als wirkliche Ruderer – hielten wir uns nicht lange auf, vielmehr suchten wir alsbald unseren weiteren Weg am Strom. In Vukovar checkten wir hinter dem Ruderverein und einer Sanddüne wohl in einem Fünf-Sterne-Hotel ein. Die „schwarze Schmier“ unserer Rollschienen habe ich jedenfalls in den exquisiten weißen Gartenmöbeln der Hotellounge hinterlassen, zum Glück waren die Polster zum Umdrehen. So neu unser Hotel auch war, so zerschossen waren die abbruchreifen Nachbargebäude. Ein kleiner abendlicher Sparziergang offenbarte in Vukovar auch die sehr vielen unbewohnten und zerstörten Gebäude, dies nun mehr als fünfzehn Jahre nach Ende des kroatisch-serbischen Krieges.
Auf nach Serbien war die Devise der mit 77 Kilometern längsten Etappe nach Novi Sad am folgenden Tag. Unser Fahrtenleiter hatte – wohl seit Jahren das erste Mal – Landdienst an diesem Tage, und so wollten wir allen Ernstes die illegalen Grenzübertritte hinter uns lassen und – wirklich – offiziell in Serbien einreisen. Doch vergebens, es fand sich trotz größtmöglicher Ausschau keine Grenzstation, und in Novi Sad einmal angekommen, waren wir jedenfalls schon in Serbien. Der ansässige Ruderverein gerade mit dem Neubau eines grandiosen Gebäudes beschäftigt, WLAN an jeder Straßenecke und die Nacht zum Tag gemacht, so ungefähr kann die Stadt beschrieben werden.
Für die Abschlussetappe erschien uns der Weg nach Belgrad bis zur Save zu weit, und so wurde Titel an der Theiss angesteuert. Die rd. 40 Kilometer nach Stari Slankamen (gegenüber der Theiss-Mündung) wurden rasch gemeistert. Einmal die Donau noch übersetzt und beim Leuchtturm scharf die Kurve genommen, auf ging’s die Theiss (nach einem kleinen Umweg) die letzten Kilometer stromauf nach Titel (noch Serbien). Auch wenn sich der Tourismus in dieser Gegend noch in Grenzen hielt, der dafür zuständige Stadtrat stattete uns am Abend in unserem Zeltlager einen kleinen Besuch ab, organisierte in sehr gastfreundlicher Art auch diverse Taxifahrten für den nächsten Morgen in Richtung Heimat.
Nach rd. 470 Kilometern auf vier Flüssen durch fünf Länder beendeten wir die einwöchige Ruderfahrt, (nahezu) ohne Bootsschaden und ohne weiteren Ungemach, man wollte fast schon meinen, man sei in den Vereinigten Staaten von Europa unterwegs gewesen …